
Zu Besuch bei FRIEDA in Bremen
In meinem Leben habe ich etliche Songs über Themen geschrieben, die sich mit Problemen in unserer Gesellschaft befassen. Kein Thema wurde so wenig angenommen, wie das Thema Obdachlosigkeit. Warum ist das so? Sie ist so real und sichtbar, wenn man die Augen in unseren Großstädten offen lässt und links und rechts schaut.
Es sollte ein Ausflug nach Bremen werden, um einen Eindruck zu erhalten, wie das Hilfsprojekt Frieda funktioniert. Wie kann man Obdachlosen helfen?! Mit Marion, Jacqueline und Burkhard ging es nach Bremen zu Ina Zurek, die seit langer Zeit im Projekt „Frieda“ ehrenamtlich tätig ist.
Als wir kurz vor 16:00 Uhr ankamen, wurden wir von einem motivierten Helfer-Team empfangen. Ob wir mithelfen wollen? Na klar, wäre ja dumm und ignorant nur zuzuschauen!
In einer Reihe von Tischen über eine Länge von fast 40 Metern waren neben dem Cinemaxx (toll, dass ihr das Projekt unterstützt, liebe Kinobetreiber!) Tische aufgebaut. Darauf und dahinter waren Kleidung, Decken, Hygieneartikel, wie Zahnpasta, Cremes, Tampons, Kuchen, Salat, Gemüse, Gebäck, Suppe, belegte Brote, Wraps, Obst, Kaffee, Tee, Wasser, Orangensaft und vieles, vieles mehr aufgebaut.
Geduldig warteten anfangs ca. 60 Obdachlose und es wurden immer mehr. Jeder Bedürftige musste sich die Hände desinfizieren und eine Maske tragen – Grundvoraussetzung, um bedient zu werden.
Es herrschte eine herzliche Atmosphäre, eine Geduld, wie ich sie nicht erwartet habe, sowohl auf der Seite der Helfer, wie auch bei den Obdachlosen oder anderen Bedürftigen.
Ich war am Ende der Reihe, wo ich mit einem afghanischen Partner Kaffee, Tee, Wasser und Orangensaft ausgab. So konnte ich viel beobachten und einen Eindruck davon gewinnen, was Ehrenamt auf der Straße ausmacht. Das Deutsch meines afghanischen Freundes war noch rudimentär und so unterhielten wir uns anfangs auf Englisch. Ich wurde aber dezent von einigen Ehrenamtlichen darauf hingewiesen, dass er deutsch lernen solle und so gab es fortan ein Denglisch zwischen uns.
Die meisten Obdachlosen waren herzlich, freundlich und friedlich. Einige schienen auf Droge zu sein oder waren (leicht) betrunken. Insgesamt lief die Betreuung jedoch, bis auf eine Ausnahme, äußerst friedlich.
Zwei ehrenamtliche Männer hatten die Aufgabe als Ordner zu fungieren, falls sich Vorfälle ereignen, die zu schlichten wären. Der eine war darin ein Profi und schien auszustrahlen: Besser ihr bleibt alle ruhig, der andere war Burkhard, ein Freund von uns, der ganz ruhig die Szenerie beobachtete und durch seine freundliche Art Ruhe ausstrahlte.
Die ehrenamtlichen Helfer, die schon seit langer Zeit bei FRIEDA sind, kennen viele der Obdachlosen und es wurde so manches kurze Gespräch geführt. Kurz, da immer mehr Bedürftige nachkamen und man sich nicht ausgiebig unterhalten konnte. Die Schlange wurde immer länger und manche Obdachlosen stellten sich bereits zum zweiten Mal an.
Die Menschen, die wir unterstützten, waren wie ein Querschnitt unserer Gesellschaft. Einige legten Wert auf ihr Äußeres, auf Kleidung, Frisur, Umgangston, anderen war das scheinbar eher egal, oder nicht so wichtig. Viele schienen gebildet zu sein, etliche suchten das Gespräch aus unterschiedlichen Gründen.
Einige Menschen schienen völlig gesund und fröhlich, andere waren krank oder wirkten verzweifelt. Fast alle waren freundlich und dankbar. Ich dachte so manches Mal: Wie konntest ausgerechnet du auf der Straße landen?!
Je mehr man sich mit den einzelnen Schicksalen befasst, desto mehr nehmen sie Raum im Kopf ein. Lass das nicht zu nahe an dich ran, du kannst es nicht lösen, du kannst nur lindern, sagte ich mir.
Offen gestanden ging mir oft durch den Kopf: „Diesem oder diesem Menschen würdest du gern eine neue Chance geben“.
Marion und ich haben uns eine Zeitlang um Asylsuchende gekümmert, vielleicht ist es Zeit sich auch mal um Menschen von der Straße zu kümmern. Wir werden versuchen Freunde anzustecken dabei mitzumachen. Vielleicht können wir auch einem bestimmten Menschen helfen.
Ich danke den Menschen von FRIEDA dafür, dass wir für zwei Stunden an ihrer Arbeit teilhaben durften. Dass, was ihr hier leistet ist so dermaßen wichtig für die Obdachlosen in Bremen und somit auch wertvoll für unsere Gesellschaft! DANKE!!!
Da liegt ein Mensch – Official Video | Obdachlosigkeit: Zeit sich umzudrehen
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Obdachlosigkeit 1: Die fünf Geschichten hinter dem Song „Da liegt ein Mensch“
Obdachlosigkeit 2: Aus Sicht einer Betroffenen Familie | Die Geschichte von Pascal
Andrés Balhorn
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