Was heißt eigentlich LIVE?

Was heißt eigentlich LIVE?

Was heißt eigentlich LIVE?

Ich gebe zu, dass es viele fürchterliche Playbacks im Internet gibt. Und natürlich ist es ein Genuss mit wirklich guten Musikern auf einer Bühne zu stehen.

Aber…

Wenn man schon mal mit hervorragenden Musikern auf der Bühne war, dann entwickelt man gewisse Ansprüche. Mal im Ernst, wie viele grandiose Bands gibt es denn, die sowohl funken, soulen, bluesen, jazzen und rocken können und das immer auf einem hohen Niveau? Wie viele Bandmitglieder muss eine solche Band haben?

Viel leichter ist es doch gute Playbacks zu besorgen, die mir als Sänger eine stets gleichbleibende Sicherheit geben, um mich und meine Stimme musikalisch auszuleben.

Natürlich macht es mit einer erstklassigen Band mindestens genau so viel Spaß, aber wer kommt schon in den Genuss in einer solchen Band zu sein? Welcher Auftraggeber kann sich solch eine Band leisten? Und mal unter uns, was ist denn alles wirklich LIVE?

Wo fängt LIVE überhaupt an?

Wenn ich beispielsweise den Titel „Music“ von John Miles LIVE auf die Bühne bringen möchte, dann benötige ich eine komplette Bigband plus ein Sinfonieorchester, also neben Bass, Gitarren, Schlagzeug, Percussion, Klavier, Keyboard auch noch ein Cello, Geigen, Saxofon, Klarinetten, Trompeten, Posaunen, Fagott, Oboe, Querflöten u. s. w.

Für den Titel bräuchte man als „komplette Liveversion“ also über 40 Musiker auf der Bühne.

Ein Keyboarder könnte ALLE diese Instrumente, mehr oder weniger mit seiner Elektronik ersetzen, aber ist das dann noch live?

Wer entscheidet denn eigentlich, was live ist? Wo ist die Grenze zu ziehen ?

Ich glaube, dass wir einen Alleinunterhalter genauso respektieren und akzeptieren sollten, wie eine Rockband, eine Bigband, ein Orchester, einen Songwriter oder eben einen Sänger, der sich ein Playbacks als Begleitung nimmt.

Bei TV-Events bekommen wir zu 95% Vollplaybacks um die Ohren geballert, da ist lediglich die Mundsynchronität der Künstler LIVE. Genauso in unsere Zeit gehören aber eben auch die Ballermänner und Ballerfrauen, die „über“ das Vollplayback singen.

Es funktioniert, also ist es doch O. K., oder?!

Wenn man sich mal anhört, wie Keith Richards seine Saiten bei Konzerten zieht und längst nicht immer eine ordentliche Intonation hinbekommt, dann freut man sich doch geradezu über ein gutes Stones-Playback. Andererseits: Keith muss so spielen, weil sonst ein Mick Jagger womöglich aus dem Konzept kommen würde, denn er ist ja die Art und Weise von Keith gewohnt.

Ich möchte hier nicht die großartige Karriere der Stones kritisieren, ich bin aber nun mal kein ausgesprochener Rolling Stones Fan, meine Band war immer The Beatles. Die Stones haben großartige Songs geschrieben und ich habe einen riesigen Respekt vor ihrem Lebenswerk und ihrer Livepräsenz, aber ich höre mir ihre Songs lieber als Studioversion an, weil sie LIVE, für meine Ohren, einfach nicht mein Ding sind.

LIVE, lieber Keith, würde ich auch lieber mit einem guten Playback auf die Bühne gehen wollen, als mit dir, denn da weiß ich woran ich bin … 

Was ist mit David Guetta? Ist das LIVE?

Sind seine Performances LIVE zu nennen? Er begeistert Millionen als DJ – ist das LIVE? Natürlich ist das auch eine LIVE-Form, nur nicht so, wie viele Musikerpolizisten LIVE definieren.

Leute, es ist doch letztlich egal, was man als LIVE bezeichnet, wie schräg eine Band spielt oder nicht: Wenn es ankommt und es die Menschen begeistert, dann ist doch alles prima! Ich muss ja nicht Fan von allem sein, nur weil da Musik drauf steht!

Zu einem Playback zu singen, anderen Menschen und sich Spaß zu bereiten, ist doch genauso LIVE, wie mit einer Bigband, als Alleinunterhalter oder eben mit einer Rockformation.

Ich finde niemand hat für sich das Recht gepachtet, zu bestimmen, was LIVE ist und was nicht. Die Erfindung des Sequenzers ist großartig und bietet uns einen grandiosen Hörgenuss auf vielen Bühnen dieser Welt. Wer würde behaupten, dass der Keyboarder Karaoke macht? Ist er etwa gar kein echter LIVE-Musiker?

Musik soll Spaß bereiten, berühren, aufwecken, beruhigen und uns ein tolles Lebensgefühl bescheren.

Ignorieren wir also die Musikerpolizei, die immer zu wissen glaubt, wie wahre Musik geht!
Es gibt sie nicht, die eine wahre Musik oder eine Form, wie man Musik zu machen hat!!! 

Ich bin kein Musicalfan, schon gar nicht, wenn Musicalsänger Rock/Pop-Songs interpretieren. Auf einer Musicalbühne muss das aber genau so sein – das respektiere ich.

Unsere Welt wäre doch ärmer ohne die vielen Alleinunterhalter auf Hochzeiten und Geburtstagen, ohne die „Drübersänger“ auf Mallorca, ohne Cover-Bands, egal ob nur mittelmäßig oder grandios. Aber sie wäre eben auch ärmer ohne Karaokebars- und Playback-Bühnen!

Was uns berührt ist die Musik und dann, wenn sie uns berührt ist es egal, wer sie auf welche Art und wie immer auch produziert.

In dem Sinne wünsche ich euch ganz viel MUSIK!

LIVE IS LIVE (whatever that is …)!!! 


Euer Andrés

(Band/Alleinunterhalter/Ballermannsänger/Sequenzer/Orchester/Karaoke-Akzeptierer)

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Andrés Balhorn

Owner and Founder bei POWERVOICE
Andrés Balhorn ist POWERVOICE Gründer, Vocal Coach Ausbilder, Rocksänger, Produzent und Komponist. Seit 1987 ist er als Dozent ein Vorreiter für modernen für Rock/ Pop Gesangsunterricht. Sein 1996 im GERIG Verlag erschienenes Buch POWERVOICE avancierte zum Fachbuchbestseller und ist mittlerweile in der 14. Auflage. Mit mehr als 600 gegebenen Workshops ist er einer der erfahrensten Vocal Coaches in Europa.

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